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Eine Reise, zwei Tagebücher

Über die Europa-Reise Anna Sophie und Gustav von Stackelbergs in den Jahren 1797–1799

https://doi.org/10.54013/kk707a2

Stichwörter: deutschbaltisch, Genderforschung, Reisen, 18. Jahrhundert, Tagebücher, Romantik

1797–1799 führte eine Europareise Gustav und Sophie von Stackelberg, zwei Adlige aus Estland, nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz. Das eigentliche Reiseziel – Italien – konnte wegen Besetzung durch napoleonische Truppen nicht besucht werden. Während der Reise haben beide Ehepartner separat ein Tagebuch geführt. Dies gibt Gelegenheit, dieselbe Reise aus zwei verschiedenen Blickwinkeln bzw. aus männlicher und weiblicher Perspektive zu beobachten. Das Tagebuch der Frau ist wesentlich umfangreicher. Es setzt schon fast am Anfang der Reise an, für die Frau war die Fahrt von Anbeginn bis zum Ende ein Abenteuer. Das Tagebuch des Mannes ist viel kürzer, es beginnt erst in der Nähe von Dresden und schließt in Königsberg. Entsprechend ihren Gender-Rollen zeichnet der Mann seine Reise als grand tour/Bildungsreise, die Frau vordergründig als eine Kurreise (verborgen Bildungsreise). Im Tagebuch des Mannes findet man Beschreibungen verschiedener technischer Verfahren, oft begleitet mit kleinen illustrierenden Zeichnungen. Die Frau führte ein Skizzenbuch, in dem sie vor allem malerische Landschaften und Kompositionen mit Menschen abbildete. Die finanzielle Seite der Reise und die wirtschaftliche Lage der besuchten Länder kommen deutlicher im Tagebuch des Mannes zum Ausdruck. Von der Frau erfährt man dafür wesentlich mehr über Begegnungen mit Menschen, auch gedenkt sie ihrer Kinder, während der Mann sie (bewusst) kaum erwähnt (es passt nicht ins Modell). Auch über ihren Partner sprechen sie unterschiedlich. Der Mann sagt meistens „wir”, nur ein paar Mal spricht er von „meinem Weibchen”, die Frau bleibt oft unsichtbar. Die Frau spricht oft von „meinem Mann”, sie definiert sich mehr über die Zugehörigkeit zu ihrem Gatten, dieser Mann wird dennoch als eigenständige Person sichtbar. Verbindend für das Paar sind ihr Interesse für die Kunst und die Liebe für malerische, romantische, erhabene Landschaften und Bauten (gotische Kathedralen). Die Reise war ein gemeinsamer Höhepunkt ihres Lebens.

References

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